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Bach - Händel
Parallelbewegung
Das Jahr 1723
Johann Sebastian Bach wird 1723 Thomaskantor in Leipzig und versieht dieses Amt dort bis zu seinem Tod 1750.
Georg Friedrich Händel wiederum bezieht 1723 in London eine Wohnung in die Brook Street
(Bachstraße) und wohnt dort bis zu seinem Tod 1759. Alle Werke, die seit 1723 entstehen, werden hier komponiert. Auch der Messiah resp. Messias.
Mi contra Fa
Die kompositorische Beziehung zwischen Bach und Händel
Kontrapunktisch miteinander verknüpft durch das Tetrachord- und Hexachordsystem, sowie dem geteilten Diapason (Oktave):
Mehr zu diesen Systemen siehe Timpelans Archiv 5
Bachschüler mit Händel verwandt
Der herausragende Bachschüler und Mitverfasser des Nekrologs auf J.S. Bach, Johann Friedrich Agricola (1720-1774), war mit Händel verwandt. Dazu schreibt der englische Musikhistoriker Charles Burney (1726-1814), der Agricola 1773 in Berlin traf:
"J. F. Agricola ist 1720 in Obersachsen, in einem Dorfe nicht unweit von Altenburg, geboren. Seine Mutter war eine nahe Anverwandtin des verstorbenen Händels, mit dem sie bis an sein Ende einen Briefwechsel unterhielt."
(Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise, Aus dem Englischen übersetzt von C.D. Ebeling, Hamburg 1772 / 1773). de.wikipedia.org/wiki/Charles_Burney
Die kompositiorische Beziehung zwischen Bach und Händel
Dargestellt durch Gegenüberstellungen in freier Folge
(Quellen: Alte Bach- und Händel Gesamtausgaben)
Die unsichtbare c'-Notenlinie innerhalb der Klavierpartitur:
* Aber auch bei der Darstellung von Instrumentalwerken, wie etwa bei der "Kunst der Fuge", wurden die Original-Notenschlüssel beibehalten!
Beginn der Gegenüberstellungen
Obige seltsame dreistimmige Sequenz in den Takten 18-20 der Schlußfuge von Händels zweiter Klaviersuite scheint Händel womöglich zusätzlich eingefügt zu haben. Denn sie steht in keinerlei Beziehung zu den eigentlichen Materialien seiner Fuge. Weder zum Thema, dem Gegenthema, noch zu den Zwischenspielen. Offensichtlich richtete bereits Bach sein Augenmerk auf diesen in sich abgeschlossenen Abschnitt, der sich sogar spiegeln lässt:
Ein ewiger Canon
Bachs Canon Nr. 11
Bach übernahm in seinem 11. Canon, aus "14 verschiedene [Circel] Canones über die
ersten acht Fundamental-Noten" der "Goldberg-Variationen", zwei Stimmen der Takte 18-20 aus Händels Schlußfuge
der 2. Klaviersuite von 1720. Und zwar den chromatisch absteigenden Bass und die Mittelstimme, die tänzerisch-synkopisch à la Hornpipe* von
Dur nach Moll mutiert. Spiegelbildlich dagegen s e i t e n v e r k e h r t von Moll nach Dur. Beide Stimmen erscheinen in
Bachs aufgelöstem ewigen Canon real und gespiegelt** Bach verknüpft sie mit den acht Fundamentalnoten, die identisch sind mit der Bassstimme von
Händels Chaconne mit 62 Variationen für Cembalo.
* Hornpipe; ein traditionelles synkopisches engl. Tanzstück, auch "Matrosentanz" genannt. Urspr. im 3/2 Takt.
** Diese beiden Stimmen erscheinen auch bei Händel gespiegelt! Und zwar im Chor
"Son lave di dolor" seines Oratoriums "Il Trionfo del Tempo e delle Verità"
("Der Triumph von Zeit und Wahrheit") in der Fassung von 1737. Siehe
weiter unten die Notentafel "Noch zur Tafel 1 und 2 gehörig";
PS: An dreizehnter Stelle der 14 Canons steht der "Canon triplex á 6 Voc.", den Bach auf dem Portrait von Elias G. Haußmann dem Betrachter zugewandt in der Hand hält.
Tafel 1
Den Canon Nr. 11 trug Bach 1747 in das Stammbuch des evangelischen Pastors und Musikers
Johann Gottfried Fulde (!718-1796) ein, mit dem Vermerk: „Symbolum. Christus coronabit
Crucigeros“ (Symbol / Christus wird die Kreuztragenden krönen). 1747 war das Jahr in dem Bach in Lorenz Mizlers "Correspondierender Societät der
musicalischen Wissenschaften" eintrat.
Tafel 2
PS:
Fortsetzung:
Zur Tafel 1 und 2 gehörig:
Fortsetzung:
Zur Tafel 1 und 2 gehörig:
Obige beiden Notentafeln, die an Hand von Bachs 11. Canon perpetuum die kompositiorische Beziehung zwischen Bach und Händel dokumentieren, wurden von Timpelan erstmalig 1986 in seinem Vortrag
Telemann, Bach, Händel,
drei große Komponisten in Kooperation -
im Goethe-Institut Freiburg
der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Einladung zum
Vortrag:
Szenischer Tanz bei dieser Veranstaltung: Evelyn JL. Puefken, Valtair des Santos und Raimund Schall.
Il Trionfo del Tempo e della Verità
(The Truimph of Time and Truth | Der Triumph von Zeit und Wahrheit)
Noch zur Tafel 1 und 2 gehörig:
Konklusion!
In Bachs Canon Nr. 11 dominieren Materialien von Händel. (Blau markiert). In wieweit Bachs Nummerierung auf Händels Mitgliedsnummer 11 in Mizlers "Correspondierender Societät der musicalischen Wissenschaften" anspielt, sei dahingestellt:
Noch zum Canon Nr. 11 gehörig
Der doppeldeutige 11. Naturklang
Mutation
Mi contra Fa:
Friedrich Wilhelm Zachow (1663-1712)
Bach und Händel begegnen sich über Händels Lehrer Friedrich Wilhelm Zachow.
Dieser vereint in den Chorfugen seiner Concerti (Kantaten) die Dichte Bachs und die
Räume Händels. Seine fugierten Choralvorspiele haben Vorbildfunktion für jene von Bach.
______________
Zachows "Capriccio" d-Moll für Clavier
bildet die Vorlage für Bachs großer Fuge g-Moll für Orgel (BWV
542):
"Capriccio ... ein Einfall, worauf vorher nicht meditiert worden. Daher werden auch die vors [fürs] Clavier gesetzte, aber nicht sonderlich ausgearbeitete Fugen also titulieret." (Johann Gottfried Walther: Musicalisches Lexicon, Leipzig, 1732)
(Siehe dazu auch J.S. Bach, "Clavier Übung", Sechs Partiten, Nr. 2, letzter Satz: "Capriccio")
Zu Zachows Capriccio und Bachs Fuge gehörig:
Der geteilte Diapason (Oktave)
1 2 3 4 | 5 6 7 8
8 7 6 5 | 4 3 2 1
18
27
36
45
54
63
72
81
Obige thematische und kontrapunktische Übereinstimmungen zwischen Bach und Händel mit "der Lupe" betrachtet:
I.
II.
Obiges 2. Gegenthema
von Bach und Händel canonisch verdichtet:
III.
Obige canonische Verdichtung erscheint bereits verkürzt in Händels Cantate
"Tu fedel? tu costante?"
(Komponiert in Italien zwischen 1706 - 1710)
Bachs und Händels Kontrapunkt zum 6/8 Takt erweitert und
figuriert
Zum 1. Gegenthema von Bachs Orgelfuge g-Moll noch ein
PS:
Martin Luther, Bach und
Händel
Händels 8 Klaviersuiten und Bachs Wohltemperiertes Klavier
Händels Cantate "Ne' tuoi lumi" und
Bachs Concerto ("Kantate") "Ich hatte viel Bekümmernis"
Tre in uno
In obiger Bass-Stimme aus Händels erstem Oratorium "Il trionfo del Tempo e del Disinganno" verbergen sich zwei weitere Stimmen, mit denen eine dreistimmige canonische Verdichtung entsteht:
Das zweiteilige "Il trionfo del Tempo e del Disinganno" von 1707, wurde 1737 von Händel zum dreiteiligen Oratorium als "Il trionfo del Tempo e della Verità" tiefgreifend umgestaltet. Hieraus schuf Händel dann als entgültige Fassung 1757 das englischsprachige "The Triumph of Time and Truth". Es ist in dieser Gestalt Händels letztes Werk.
NB!
Bachs eigene Bezeichnung für seine heutzutage fälschlicherweise als "Kantate" bezeichnete Kompositionsform ist:
"Concerto"
"Concerto [ital.] Concert [gall.] bedeutet
[1. ein Collegium Musicum oder eine musicalische Zusammenkunft." (Johann G. Walther: "Musicalisches Lexicon", Leipzig 1732)
"Cantata, pl. Cantate, [ital.] Cantate, pl. Cantates [gall.] ist eigentlich ein langes Musicstück, dessen Text italienisch, und aus Arien mit untermischten Recitativ[en]; die Composition aber aus verschiedenen Tactarten und gemeiniglich à Voce sola nebst einem Continuo bestehet, öffters aber auch mit zwey und mehrern Instrumenten versehen ist" (Johann G. Walther: "Musicalisches Lexicon", Leipzig 1732).
Fortsetzung der Darstellung thematischer und kontrapunktischer Übereinstimmungen in den Kompositionen von Bach und Händel
Gemeinsame Stretti* (Engführungen)
* Stretto (italienisch) heißt: Enge; und zeiget an: ... daß ein oder etliche themata ganz kurz zusammen gezogen sind, und behende aufeinander folgen.
(Johann Gottfried Walther; Musicalischen Lexicon, Leipzig 1732).
Ausschnitt vom Obigen:
Alexander Pope (1688-1744) "Essay on Man", Epistle I:
All Nature is but Art, unknown to thee;
All Chance, Direction, which thou canst not see;
All Discord, Harmony, not understood;
All partial Evil, universal Good:
And, spite of pride, in erring Reson's spite,
One truth is clear, >>Whatever is, is right.<<
Georg Wilhelm Friedrich Hegel übernahm Alexander Popes (und implizit Händels) Maxime "Whatever is, is right" und kleidete sie in seine Worte:
"Alles was wirklich ist, ist vernünftig, und alles was
vernünftig ist, ist wirklich."
Siehe dazu Johanna Rudolph (eigentlich Marianne Gundermann*), Händelrenaissance - Händels Rolle als Aufklärer (Band II, S. 371-375, Aufbau-Verlag 1969) und Friedrich Engels: "Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie".
*Daten zu Marianne Gundermann alias Johanna Rudolph siehe Archiv 9
Händels Teilthema der 4. Clavierfuge h-Moll als Gegenthema in Bachs 14. Fuge fis-Moll aus dem Wohltemperierten Clavier II
"Fuga (á fugando) ... Die Italiener nennen sie Ricercare ... mit Fleiß erforschen und nachsuchen [recherchieren]. Die weil in tractierung einer guten fuga mit sonderbarem Fleiß und Nachdenken aus allen Winkeln zusammengesucht werden muß, wie und auf mancherley Art dieselbe ineinandergefüget, geflochten, dupliert, per modum rectum und contrarium, ordentlich künstlich und anmutig gesetzet, und bis zum Ende hinaus geführet werden könne."
(Johann Gottfried Walther: "Praecepta der musicalischen Composition")
P.S. Walther war mit J. S. Bach verwandt.
"Voran gingen Sänger, danach Saitenspieler;
inmitten Rahmentrommeln schlagender Mädchen"
(Psalm 68, Vers 26)
Obiges mit der Lupe betrachtet:
Zum Obigen gehörig:
(Fortsetzung folgt)
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