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Telemann: Das neue musikalische System
Eine Intervalllehre
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Die musikalischen Intervalle
(Telemann: Letzte Beschäftigung, Hamburg, 1767)
"Ein Intervall ist eine gewisse Stufenweite, oder der Zwischenraum zwischen zwey verschiedenen Klängen. Hieraus folgt, daß zwey Klänge von gleicher Größe kein Intervall ausmachen;* und daher kann ich auch nicht sagen, daß c und c oder d und d ein Intervall sey: hingegen sind c cis, c d, u. s. f. Intervallen. Sonst wird auch gewöhnlich das Wort Ton in dem Verstande eines abgemessenen Intervalls genommen, wenn man nämlich von einem Klange in den anderen fortschreitet."**
(Johann Ernst Altenburg: Versuch einer Anleitung zur heroisch-musikalischen Trompeter- und Paukenkunst, Halle 1795, S. 75-76)
* Die offizielle Musiklehre (Musiktheorie) bezeichnet zwei Klänge gleicher Größe, den Unisono, irrigerweise als Intervall.
** Offensichtlich kannte Altenburg Telemanns Neues musikalisches System!
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NB! In der Antike galten lediglich die Intervalle Diatessaron (Quarte), Diapente (Quinte) und der Diapason (Oktave) als konsonant. Von den Griechen Symphonia | Συμφωνία genannt. Genau diese drei Intervalle entstehen in der musikalischen Natur beim Aufbau der Naturklangreihe resp. Obertonreihe vom 1. bis zum 4. Naturklang:
1 + 2 = Diapason (Oktave), 2 + 3 = Diapente (Quinte) sowie 3 + 4 = Diatessaron (Quarte).
Symphonia | Συμφωνία :
Alle übrigen Intervalle wurden dagegen als dissonant eingestuft. Also auch das doppeldeutige Terz-Intervall. Quelle: Vitruv: „Zehn Bücher über Architektur – De architectura libri decem“, 5. Buch, 4. Kapitel). Hierbei sei erinnert, dass Violinen, Mandolinen, Violen, Mandolen und Violoncelli in Quinten gestimmt werden und der Kontrabass in Quarten.
Womöglich besann sich W. A. Mozart beim Komponieren seines Requiems auf die antike Intervalllehre. Denn im Schlussakkord seiner Kyrie-Doppelfuge fehlt das „dissonierende“ Terz-Intervall. Was von Franz-Xaver Süßmayr, dem Vollender des Requiems, manifestiert wird. Denn er übernahm das Kyrie fast notengetreu, lediglich mit geändertem Text, für den Schluss des Requiems.
Mozart: Die Kyrie-Doppelfuge:
https://www.youtube.com/watch?v=r6_DqHKkfoQ
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Die Naturklänge 1 -11 und die antiken griechischen Intervalle
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Der Diapason (Oktave)
From Harmony, from heav’nly Harmony,
This universal frame began:
From Harmony to Harmony,
Through all the compass of the notes it ran,
The diapason closing full in Man.
(John Dryden / G. Fr. Handel: Ode for St. Cecilia’s Day)
[Der] Diapason [ist] eine vollkommene Octava ... und ist zusammen gesetzt aus
fünf tonis / und zweien
semitonis.
(Martin Agricola: Musica choralis deudsch)
* * *
[Die] Octava diatonica, bestehet aus 5 ganzen
Tonen, und 2 Semitoniis.
(Johann Gottfried Walther: Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732)
[Die] Octave chromatica, bestehet aus 12 Semitonis.
(Johann Gottfried Walther: Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732)
Demzufolge wäre Arnold Schönbergs "12 Tonmusik" lediglich eine 11 Tonmusik
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Die offizielle Musiklehre (Musiktheorie) kennt nicht mehr den Unterschied zwischen einem
Ton und einem Klang. Sie bezeichnet und behandelt eine einzelne Note als einen Ton. Das ist nicht richtig. Denn wie bereits erwähnt, symbolisiert eine einzelne
Note einen Klang und dagegen ein Ton - der TONOS - ist identisch mit einem Sekundintervall.
0 1
Unisonos Tonos
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"Jeder einzelne Klang ist eine Prime. Die Primen bestehen aus 4 Gattungen:
einer kleinsten [minimum], kleinen [minor], großen [major] und größten [maximum]:
"Jede Stufe, jede Linie und jeder Zwischenraum in der Musikleiter einzeln betrachtet, lässet vier Klänge zu ..." (Telemann: Neues musikalisches System).
"Inzwischen aber gibt es Kunstgenossen, denen unsere Primen noch nicht bekannt sind.
(Aus: Letzte Beschäftigung / Georg Philipp Telemanns, im 86sten Lebensjahre, bestehend / in einer musikalischen / Klang und Intervallen-Tafel. / Hamburg, 1767)
"Tonus
ist ein igliche secunda [eine jegliche Sekunde]"
(Martin Agricola: Musica choralis deudsch)
Das bedeutet: Ein Ton entspricht einem Sekundintervall.
Praktisches Beispiel:
Das evangelische Agnus Dei
Christe, du Lamm Gottes
(Evangelisches Gesangbuch Nr. 190):
Die erste Note f' macht zur Schlußnote g' beim obigen liturgischen Gesang einen Ton aus. Siehe dazu das Christe du Lamm Gottes im Orgelbüchlein von J.S.Bach. Denn Bach beginnt seine Choralbearbeitung in F-Dur und beschließt sie in G-Dur!
Auch der Choral Christum wir sollen loben schon umfasst einen TON.
In Bachs Orgelbüchlein befindet sich seine Bearbeitung dieses Chorals. Sie beginnt in d-Moll und schließt in E-Dur!
Bachs Orgelbüchlein erschien unter Bach, Orgelwerke Band V, 1846 bei der Edition Peters*. In diesem Band befindet sich noch als Nr. 7 eine "Fughetta super: Christum wir sollen loben schon". Der Anfang steht, wie bei der Choralbearbeitung, in d-Moll und der Schluß in E-Dur.
Bachs Concerto ("Kantate") "Christum wir sollen loben schon" schließt mit der Choralmelodie Christum wir solln loben schon. Hier steht der Anfang in e-Moll und der Schußakkord in Fis-Dur.
In diesem Zusammenhang sei erinnert:
Ein Ton, der TONOS, beinhaltet zwei Grundakkorde. Sowohl in Dur (Terz major) als auch in Moll (Terz minor)!
Da dieser Choral nicht in das neue Evangelische Gesangbuch übernommen wurde, wird er zum
besseren Verstehen von Bachs Bearbeitungen bezw. Harmonisierung hier abgebildet. Dem Chor zuliebe um eine kleine Terz höher transponiert. Dadurch steht der Anfangsakkord in
f-Moll und der Schlußakkord in G-Dur:
Antirameauisch:
"Daß meine und meines seeligen Vaters Grundsätze
antirameauische sind, können Sie laut sagen."
Aussage von Carl Ph. E. Bachs, dem zweitältesten Sohn von J.S. Bach, in Johann Philipp Kirnbergers Kunst des reinen Satzes. Diese Aussage bezieht sich auf die musiktheoretischen Lehren des Komponisten Jean-Philippe Rameau.
(Quelle: Händels Composition lessons, HHA, Seite 29, Bärenreiter. Herausgeber: Alfred Mann)
* Der 1800 in Leipzig gegründete Musikverlag
Edition Peters, weltberühmt u.a. durch vorbildlichem Notenstich und seine Urtextausgaben, war etwa ab
1900 im Besitz der jüdischen Familie Hinrichsen, die deshalb 1938 im Rahmen der sogenannten "Arisierung" von dem Naziregime enteignet wurde. Alle Familienmitglieder, denen es
nicht glückte zu fliehen, wurden von den Nazis umgebracht. So wurde der Verlagsleiter der Edition
Peters, Dr. phil. h.c. Henri Hinrichsen, 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Seine zuckerkranke Gattin,
Martha Hinrichsen (geb. Bendix), verstarb 1941 im besetzten Belgien, da ihr als Jüdin das dringend benötigte Insulin verweigert wurde.
Telemanns "Neues musikalisches System"
Praktisch angewandt
Der Unterschied zwischen einem Klang und einem Ton
§. 1. Jede Note einzeln betrachtet, ist ein Klang.
§. 9. Meine Meinung wegen der Töne erkläre also: Zween [Zwei] verschiedene Klänge machen von einem Grundklange an; bis durch alle Stufen u. Grade der
Leiter, ein Intervall aus. Zween Klänge vom Grundklange an bis in die nächste Stufe machen einen Ton aus. Jede Stufe nun enthält
vier Klänge, davon wird der erste Klang in der nächsten Stufe über den Grundklange ein kleinster Ton [minimum], der folgende ein kleiner [minor],
der dritte ein großer [major], und der vierte ein größter Ton [maximum], und so von Stufe zu Stufe.
(G. Ph. Telemann: Neues musikalisches System)
* * *
1 TON 4-fach unterteilt
1 + 4 + 4 + 4 = 13
Dazu drei praktische Exempel:
"Man muss gegen sich selbst kämpfen, damit man die Kette '- - -' nicht für die Zahl 3 hält."
(Douglas R. Hofstadter ironisch in seinem Gödel, Escher, Bach
Deutsche Ausgabe dtv/Klett-Cotta, S.71)
hmt: Man muss nicht "gegen sich selbst kämpfen", denn
die Kette '- - -' symbolisiert implizit den Ditonos:
Nach der Lektion 42 in Telemanns Neuem musikalischen System:
1 + 7
1+ 7 = 8 + 7 = 15 + 7 + 22
Wertigkeit:
Generalbassbezifferung für den vermehrten Unisono. Sie entspricht einem althebräischen Zeichen für den zehnten Buchstaben , mit dem Zahlenwert 10 (Zehn).
Dazu zwei Exempel für Streichquartett und -quintett von hmt
Ach Herr mich armen Sünder | O Haupt voll Blut und Wunden
(Bärenreiter, Herausgeber: Traugott Fedtke)
"Ein Endlos Reduplizierter Canon"
So benannt von Douglas R. Hofstadter in seinem "Gödel, Escher, Bach"
(Deutsche Ausgabe, Klett Cotta 1985, S. 11-12 "Ein Endlos Reduplizierter Canon")
Der vermehrte Unisono
oder das Aneinanderstoßen von dissonierenden
Klängen und Intervallen
im 11. Naturklang:
bei Bach im Italienischen Konzert, 2. Satz, Takt 10, im Präludium Takt 6, aus Präludium und Fuge a-Moll für Cembalo (BWV 894) und
in Die Kunst der Fuge
bei Bach im Musikalischen Opfer, Canon a 2. Per motum contrarium, Takt 3:
bei Händel im Oratorium Saul, im Chor "Mourn Israel", Takt 26
(Vermehrter Unisono u. Quinta maximum)
bei Händel in der Fuga der Ouverture zum Oratorium Salomon, Takt 41:
(Vermehrter Unisono u. Quinta maximum)
Telemanns vermehrter Unisono lässt sich aus dem doppeldeutigen 11. Naturklang ableiten:
Bachs, Händels und Telmanns Naturtrompeter und Naturhornisten waren in der Lage, den doppel-deutigen 11. Naturklang (ohne technische Hilfsmittel nur durch Atem- und Lippentechnik) in zwei Klänge zu spalten. Beispielsweise in ein F und ein Fis. Vom Grundklang C aus bemessen. Entsprechend den Trompetenparts der drei Komponisten.
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Der ab der 11. Note in unendlicher Abfolge - entsprechend dem Einmaleins - eine neue Naturklangskala innerhalb der ursprünglichen bildet.
Der General Bass ist das vollkommste Fundament der Music welcher mit beyden Händen gespielet wird dergestalt das die lincke Hand die vorgeschriebenen Noten spielet die rechte aber Con- und Dissonantien darzu greift damit dieses eine wohlklingende Harmonie gebe zur Ehre Gottes und zulässiger Ergötzung des Gemüths und soll wie aller Music, also auch des General Basses Finis und End Uhrsache anders nicht, als nur zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüths seyn. Wo dieses nicht in Acht genommen wird da ists keine eigentliche Music sondern Teuflisches Geplerr und Geleyer.
(Aus "Vorschriften und Grundsätze zum vierstimmigen spielen des General-Bass oder Accompagnement für seine Scholaren in der Music." Von J. S. Bach, Leipzig 1738)
NB! In Händels Aufzeichnungen zur Kompositionslehre, HHA Supplement Band I, Bärenreiter 1978, sind auf den Seiten 48-51 vier
Generalbass Fugen von Händel als Faksimiles abgebildet. Zwei davon sind Doppelfugen.
"Weiß nun jemand, daß b, in der siebenten Stufe, die kleine Sexte vom c ist, so kann er auch wissen, daß, wenn die Grundnote um einen Grad erhöhet und cis wird, eben dasselbe b alsdann die kleineste Septime, mittels Beybehaltung der vorherigen b7., ausmacht."
(Telemann: Musicalisches Lob Gottes - Vorbericht, Hamburg 1744)
Entschlüsselung von Telemanns provokant-kryptischem Hinweis:
Die Quarta minimum, -minor, -major und -maximum
Vier Exempel von hmt
Die Quinta minimum, -minor, -major und -maximum
Vier Exempel von hmt
Nr. 25, S. 110: "Lungi dal mio bel Nume" (Chrysander Vol.2)
(Secunda maximum)
Nr. 67, S. 145, "Udite il mio consiglio" (Chrysander Vol. 4)
(Secunda maximum)
Nr. 1, "Ah! crudel, nel pianto mio" (Chrysander I, Aria 1, Takt 10, S. 6)
(Secunda maximum)
(Terzia minimum)
Nr. 40 (Nr. 3 bei Edition Peters)
(Terzia minimum)
Crucifixus
(Terzia minimum)
Crucifixus
(Quarta minimum)
Crucifixus
Quarta minimum, Secunda maximum, Quinta maximum.
Nr. 67, S. 147, "Udite il mio consiglio" (Chrysander Vol. 4)
(Quarta minimum)
Aus "Letzte Beschäftigung / Georg Philipp Telemanns, im 86sten Lebensjahre, /
bestehend / in einer musikalischen / Klang- und Intervallentafel" Hamburg, 1767
"Man erkennet weder eine kleinste, kleine, große, noch größte Quarte. Die erste nennet man die verkleinerte, die zwote die gewöhnliche, die dritte die übermäßigte,
und die vierte ein Ungeheuer. Insonderheit wird der letztern von einem der Verächter eifrigst untersagt, mit ihrer gräßlichen Gestalt ja nicht in der Reihe der vorher unbezeichneten
(diatonischen) Klänge zu erscheinen, welches sie doch ganz freundlich thun kann:
Arie der Bellezza: "Io sperai trovar nel vero..."
(Quarta minimum u. maximum, sowie Quinta maximum)
Nr. 58 a, S. 103, "Se pari è la tua fè" (Chrysander, Vol. 4)
(Quarta minimum)
(Quarta minimum)
* * *
Der weibliche hebräische Vorname "Deborah / Debora" bedeutet "Biene".
Nr. 17, "Nel dolce dell'oblio" (Chrysander S. 33)
(Quinta maximum)
Nr.67, S. 143, "Udite il mio consiglio" (Chrysander Vol. 4)
(Quinta maximum)
Arie "Verso già l'alma" (Chrysander S. 99, 1. System Takt 2-3)
(Quarta- u. Sexta minimum)
(Quarta- und Sexta minimum)
Nr. 6 "Clori, degli ochi miei" (Chrysander Vol. 1, S.26)
(Sexta minimum)
(Sexta minimum)
Nr. 11, " Cuopre tal volta il ciolo" (Chrysander S. 121)
(Sexta maximum)
Subjekt der Doppelfuge
(Secunda- und Quinta maximum)
Chor "Es kommt aber die Zeit", Takt 5 u. 17
(Quarta- und Sexta minimum)
(Septima maximum)
Terzia minimum, Terzia- und Quinta maximum, Octava minor und ein Viertelton
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(Fortsetzung folgt)