z(Zum Vergrößern und zur besseren Ansicht der Noten und Bilder diese bitte anklicken)
Das Hexachordsystem
I.
Das Hexachordsystem
Guido von Arezzo - Die Guidonische Hand - "A Ground in Gamut" - Auszug aus der Guidonischen Hand - Hexachorde - Deren praktische Anwendung - Mutation -
Die 2 Molltonleitern - "Von der Teilung der 6 Stimmen" und der Teilung der biblischen Elle zu 6 Handbreiten - Jean-Jacques Rousseau und das Hexachordsystem - Die Funktionstheorie und das
Hexachordsystem -
II.
Das antike griechische Tetrachordsystem
III.
Lud - Luder - Lyder - Lydisch
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Guido von Arezzo (~992-1050)
Arezzo ist der Erfinder der Notenlinien, der Notenschlüssel und damit der Notenschrift im modernen Sinne!
Weiterhin ist er der Schöpfer des Hexachordsystems mit seinen 6 Solmisationssilben Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La, die er aus den Anfangssilben der ersten sechs Halbzeilen seines Johannes-Hymnus bildete. Mit Hilfe dieser Silben lehrte er seinen Gesangsschülern das Memorieren der Stimmen ("Voces") respektive Stimmfolgen.
Der Johannes-Hymnus
Ut queant laxis / resonare fibris
Mira gestorum / famuli tuorum
Solve polluti / labii reatum
Sancte Johannes.
NB! Der Johannes-Hymnus beginnt mit der Note C und endet mit der Note D, der ersten "Finalstimme". Diese Fortschreitung vom C zum D entspricht einem Sekundintervall oder einem Ton. Dem T O N O S:
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Arezzos Hexachordsystem ist eine Erweiterung des antiken griechischen Tetrachordsystems
Arezzo entdeckte bei der Erforschung der musikalischen Natur auf
seinem Monochord (Einsaiter) zum diatonischen Klang B* - nach heutiger Lesart der Klang
H - noch ein zusätzliches chromatisches B, welches dem Vorzeichen b entspricht.
Daraus entsteht die chromatische Tonfolge a b h c:
Diese chromatische (altgr. χρῶμα) Folge ist allerdings bereits im antiken griechischen Tetrachordsystem durch das vierte eingehängte resp. getrennte Tetrachord vorgegeben, welches die griechischen Musiktheoretiker das Tetrachord diezeugmenon diatonic nannten. Arezzo, der sich ausdrücklich darauf bezieht, nennt es das "Tetrachordum supercutarum":
Jenes "B" in seiner "zweifachen Gestalt", von Arezzo als b molle
(rotundam) und b durum (quadravimus) bezeichnet, hat seinen Ursprung in der musikalischen Natur, nämlich im
doppeldeutigen 11. Naturklang (Oberton) der Naturklangreihe auf dem Grundklang F.
Dieser doppeldeutige 11. Naturklang kann auf dem Naturhorn oder der Langnaturtrompete in der Clarinlage mittels Treiben als B oder H dargestellt werden:
Guido von Arezzo entdeckte also die M U T A T I O N eines Klanges. Die Note B bekam die Silbe Fa und
die Note H die Silbe Mi. Mi contra Fa.
* Arezzo benennt eine einzelne Note nicht, wie heute üblich, als Ton, sondern als Voce! Denn seit alters her ist e i n Ton, der T O N O S, identisch mit einem Sekundintervall. Tonos, τόνος ist ein altgriechischer Begriff und bedeutet Spannung!
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https://archive.org/details/micrologusguido00hermgoog/page/n9/mode/2up?view=theater
↑
Obiger Link führt zu einer Ausgabe von Arezzos Microlog Guidonis - De Diciplina
Artis Musicae der Harvard University. Neben Arezzos Originaltext steht eine deutsche Übersetzung von Michael Hermesdorff. Dieser übersetzt Arezzos Begriffe
"Voce" für eine einzelne Note und "Voces" für mehrere Noten mit "Ton" oder "Töne".
Das ist nicht richtig und stiftet Verwirrung. Denn wie bereits gesagt, entspricht ein Ton - der TONOS (τόνος) - einem Sekundintervall und bedeutet, um es nochmals zu betonen: Spannung!
Entsprechend den antiken griechischen 3 Klanggeschlechtern (modulation genera) werden in Arezzos Schrift auch Vierteltöne behandelt! Griechisch: Diësis, altgriechisch δίεσις. Diese dürfen angewandt werden zwischen den diatonischen Halbtonschritten H-C und E-F
als
H-His-C oder E-Eis-F:
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Die Naturklänge 1 - 11 und die antiken griechischen Intervalle
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Unsere Musikologen wissen offensichtlich nicht mehr um die Doppeldeutigkeit des 11. Naturklangs. Und so wird dieser Klang in den einschlägigen Lehrbüchern und Musiklexika als unsauber, ja als "systemfremd" gemaßregelt. Doch Naturtrompeter, die die Trompetenparts des 17.- und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Bach-Händel-Epoche) blasen, haben wieder gelernt, diese Doppeldeutigkeit zu erkennen und praktisch anzuwenden. So bläst der Trompeter Julian Zimmerman auf seiner Langnaturtrompete in D den 11. Naturklang im "Prince of Denmark's March" von Jeremia Clarke (1674-1707) nach Vorgabe der Partitur sowohl als g'' als auch als gis''. Und das alles ohne technische Hilfsmittel wie Ventile oder unhistorische, neuzeitliche Temperierungslöcher:
https://www.youtube.com/watch?v=a6pExaRPg84&feature=youtu.be
(Orgel - Daniela Niedhammer)
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Studium der musikalischen Natur
Aus Guido von Arezzos:
"Kurze Abhandhandlung Guido's über die Regeln der musikalischen Kunst
Kapitel II.
Wer unseren Unterricht wünscht, der lerne zunächst eine etliche Zahl von Gesängen, die mit unseren Noten geschrieben sind, übe seine Hand im Gebrauch des Monochordes [Einsaiter] und gehe oft die hier gegebenen Regeln durch, bis er das Wesen und die Natur der Stimmen ["Voces"] vollkommen erfasst hat und im Stande ist, noch nicht bekannte Gesänge, ebenso wie die bekannten, mit lieblich angenehmen Vortrag zu singen*.
Da wir jedoch die Stimmen [Klänge], als die erste Grundlage dieser Kunst, besser auf dem Monochord betrachten können, so wollen wir zuerst sehen, wie die Kunst in Nachahmung der Natur dieselben dort abgegrenzt hat."
(Nach der deutschen Übersetzung von Michael Hermesdorff. Originaltitel: Microlog Guidonis
- De Diciplina Artis Musicae)
* Zum "lieblich angenehmen Vortrag" gehört für Arezzo bei langen Noten auch ein Tremolieren der Stimme. Das Tremolo. (Orig. "tremulan"). Heutzutage als "Vibrato" bezeichnet.
Siehe zu dieser Thematik auch Leopold Mozarts "Versuch einer gründlichen Violinschule",
"Das eilfte [11.] Hauptstück | Von dem Tremolo". Archiv 1
Das erste Monochord, so Guido von Arezzo, soll der griechische Philosoph Pythagoras konstruiert haben.
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Das Hexachord- und Tetrachordsystem bei
Bach und Händel
I.
Das Hexachordsystem
hex = sex = sechs = 6
chord = Saite
"Praeludien und Fugen durch alle Tone, und Semitonia, so wohl tertiam majorem [Dur-Terz] oder Ut, Re, Mi anlagend, als auch tertiam minorem [Moll-Terz] oder
Re, Mi, Fa betreffend". J.S. Bach im Titel zum Wohltemperierten Klavier I
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Die 6 in der Natur
Die sechseckige Bienenwabenzelle
Die hexagonale Gestalt der Schneeflocke
Photo: Wilson Alwyn Bentley (1865-1931)
Osterglocken mit 6 Blütenblätter
Ostern: altgermanisch Austro | aramäisch: Pas-chra | hebräisch: Pessach
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Das Hexachordsystem in der Musik
mit den 8 Buchstabennoten
A, B, C, D, E, F, G, H
und seinen 6 Solmisationssilben
Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La
* * *
D E D U K T I O N
"Deduttione [ital.] Deduction [gall.] Deductio [lat.] ist die Benennung, welche Guido Aretinus [Guido von Arezzo] seiner aufwerts [und abwärts] steigende Syllben=Folge beygeleget, als: ut, re, mi, fa, sol, la."
(Johann Gottfried Walther: Musicalisches LEXICON, Leipzig 1732)*
* Deduktion: "Ableitung des Besonderen und Einzelnen vom Allgemeinen; Erkenntnis des Einzelfalles durch ein allgemeines Gesetz." Definitionen von Oxford Languages
Zwei Hexachorde
Verzeichnet innerhalb der musikalischen Natur:
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Das Hexachordsystem in der Praxis
J.S. Bach: Die Kunst der Fuge:
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Die Guidonische Hand
Sie symbolisiert das Hexachordsystem von Guido von Arezzo. Denn in den Fingergliedern sind die Buchstabennoten mit den dazugehörigen Solmisationssilben abgebildet.
Arezzos System bildet, an den
Fingern und am Handballen ersichtlich, eine Dreieinheit aus den drei unterschiedlichen Hexachorden:
h-Duralis, Naturalis / permanens und b-Mollis,
die siebenmal ineinandergreifend eine Symbolkette aus 22 Klängen ergeben.
Die Zahl 22 entspricht dem biblischen hebräischen Alphabet, welches
aus 22 Buchstaben besteht.
NB! Das griechische Alphabet bestand ursprünglich
auch aus 22 Buchstaben!
Aleph
← ↓
22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
↑
→
Alpha
Die Skala des Hexachordsystems
Bestehend aus
22 Noten und 42 Silben:
Die drei unterschiedlichen Hexachorde:
1. h-Duralis 2. Naturalis oder permanens 3. b-Mollis
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Das "Gamut"
(Gamma-ut)
Das griechische Gamma als Notenschlüssel
Als "Gamut" (Gamma-ut) wird im Hexachordsystem die Note "G" auf der untersten Linie im Baßschlüssel bezeichnet. Dazu vermerkt Martin Agricola:
"Das
[griechische Gamma] wird vorn [auf der untertersten Notenlinie mit der Silbe Ut zum G-Gamut] angesetzt / den Griechen zu einer sonderlichen Ehrerbietung / welche / wie man liest / solche Kunst erfunden haben."
(Martin Agricola: Musica Choralis Deutsch, Magdeburg 1528 | Wittenberg 1533)
Zum Hexachordsystem gehörig:
Varationen über
"A Ground in Gamut"
Die "acht Fundamentalnoten" von Bachs Canon triplex à 6 Voc.
bei Henry Purcell und Händel:
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M u t a t i o n
Im Hexachordsystem haben die Noten einen relativen Wert. Denn bedingt durch das Ineinandergreifen der Hexachorde bekommt eine Buchstabennote gleichzeitig mehrere verschiedene Silben zugeordnet. Beispiel:
c‘–sol–fa–ut.
Die drei Silben zu dieser einen Buchstabennote c‘ bedeuten
M u t a t i o n!
Siehe dazu das Kapitel "Von der verwandlung der syllaben"
in Martin Agricolas "Musica Choralis Deudsch". Agricola verdeutscht den Begiff "Mutation" in "Verwandlung".
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Bachs Kunst der Fuge und das Hexachordsystem
In seinem Vorbericht zur zweiten Druckauflage von Bachs Kunst der Fuge (Leipzig 1752) gibt Friedrich Wilhelm Marpurg (1718-1795) diesbezüglich folgenden Hinweis:
"Daß alle hier vorkommenden verschiedenen Gattungen von Fugen und Contrapunkten …. aus dem Dmoll, oder dem D-la-re über die kleine Terz gesetzet sind … fällt einem jeden Kunstverständigen so gleich in die Augen."
Das "D-la-re" vereinigt die 6. Silbe La vom Hexachord b-Mollis mit der 2. Silbe Re vom Hexachord Naturalis:
Die zwei ineinandergreifenden Hexachorde b-Mollis und Naturalis / permanens:
NB: Bach formte das Hauptthema seiner Kunst der Fuge aus ein
Kleines Hexachord in Gegenbewegung:
Mutation oder die Verwandlung der Silben
Bei Bach:
Bei Händel:
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von Martin Luther u.a. in seinem Choral "Dies sind die heiligen zehn
Gebot"
(Martin Luther 1483-1546)
Langnaturtrompeten der Lutherzeit
* * *
Für Dr. Edward H. Tarr
Trompetenvirtuose, Musikwissenschaftler und Pionier der
Wiederbelebung historischer Blechblasinstrumente wie der Langnaturtrompete für die Praxis
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Weiterhin zum Hexachordsystem gehörig:
Aus Martin Agricolas "Musica Choralis Deudsch"
Magdeburg 1528 | Wittenberg 1533
"Von den gezeichneten Schlüsseln"
"... sie werden gezeichnete Schlüssel* genennet / drumb das [weil] sie öffentlich am anfang ... gesetzt odder geschrieben werden."
"Clavis [Schlüssel] / ist ein buchstaben [eine Buchstabennote] zusammen gesetzt mit einem oder mehr zeichen [Solmisationssilben] der stimmen." (Martin Agricola: Musica Choralis Deudsch) Beispiel: f-faut, c'-solfaut oder g'-solreut sind je ein Clavis!
* Bis zur Bach-Händel-Epoche wurden zudem auch die Musiknoten als
Schlüssel / Clavis bezeichnet.
Reduktion:
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"Von der teilung der sechs stimmen"
"Etliche syllaben der [sechs] Stimmen werden genannt die untersten / als
ut re mi. Etliche die öbersten [oberen] / als fa sol la."
(Aus Martin Agricola: "Musica Choralis Deudsch", Magdeburg 1528 / Wittenberg 1533)
Verknüpfung zum Obigen:
Von der Teilung der biblischen Elle zu 6 Handbreiten
"Das Grundmaß im Alten Testament ist die Elle, die in 2 Spannen zerlegt wurde; die Spanne hatte eine Länge von 3 Handbreiten. Man unterschied die kleine, 'gemeine' Elle zu 6 Handbreiten ... und die große Elle zu 6 plus 1 Handbreite"
Quelle: "Jubiläumsbibel mit erklärenden Anmerkungen": Anmerkung zu Ezechiel 40, 5, Württembergische Bibelanstalt Stuttgart 1912 / 1937)
DieTeilung der 6 Stimmen in 3 untere als Ut, Re, Mi und 3 obere als Fa, Sol, La bei Bach und Händel:
"Wie die Alten" das F-fa-ut, das c-sol-fa-ut und das
b-fa mit den drei Primärfarben Gelb-Rot-Blau makierten:
"Wie die alten das Ffaut / csolfaut / und bfa im Choralgesang gezeichnet haben.:
So haben die alten Musici im Choral die lineam oder das spacium wo Ffaut / oder ffaut erfunden / allzeit mit roter / und Cfaut /csolfaut / und ccsolfa ... mit geeler [gelber] / und das Bfa, bfa und bbfa mit himmelblauer farb angestrichen / und dadurch angezeiget und erkannt."
(Martin Agricolas Musica Figuralis Deudsch, Magdeburg 1532)
Dazu zwei Fugenthemen von Händel:
Tonos und Modus farblich dargestellt:
Die drei Primärfarben und die Funktions- resp. Stufentheorie
Vom Unterschied der sechs Stimmen Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La als
Ut-Fa, Re-Sol, Mi-La
"Aus den sechs stimmen [ut re mi fa sol la] / werden zwo
b-molles genannt / als ut und fa / denn sie werden gar fein linde / sanft / lieblich und weich gesungen [...] re und sol / werden
mittelmessige odder natürlichen stimmen genennet / drumb das sie einen mittelmessigen laut von sich geben [...] mi und la / heißen durales / das
ist / scharfe und harte syllaben [...] Diese unterscheid [Unterscheidung] / wo sie wohl gemerkt / und im gesang recht gehalten wird / macht sie alle melodey süsse und
lieblich" Martin Agricola, Musica Choralis Deudsch.
Ein Exempel:
Praktische Anwendung der unterschiedlichen Stimmen:
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"Mi contra Fa"
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Quersumme der einzelnen Zahlen immer Sieben (7)
16
25
34
43
52
61
Ein Großes Hexachord enthält sieben Akkorde:
1. einen Dur-Grundakkord / 2. einen Moll-Grundakkord / 3. einen
Dur-Quartsextakkord / 4. einen Moll-Sextakkord / 5. einen Quintsextakkord /
6. einen Terzquartakkord und 7. einen Sekundakkord!
Zwei unterschiedliche Hexachorde gibt es:
Ein großes und ein kleines.
Beim großen Hexachord ist die dritte Silbe Mi ein großes Terz- und die sechste Silbe La ein großes Sextintervall. Dagegen beim kleinen Hexachord ist die dritte Silbe Fa ein kleines Terz- und die sechste Silbe Fa ein kleines Sextintervall:
Mutation,
oder "von der verwandlung der syllaben"
Kleines Hexachord real und in Gegenbewegung
Kleine ineinandergreifende Hexachorde in Gegenbewegung
Praktisch angewandt von Girolamo Frescobaldi, G. Fr. Händel und J. S. Bach:
Girolamo Frescobaldi (1583-1643)
hmt
Die zwei unterschiedlichen Moll-Tonleitern
b-Mollis und h-Duralis
(Siehe dazu Martin Agricola: Musica Choralis Deudsch:
Das vierde Capitel. Von der verwandlung der syllaben).
Im Hexachordsystem entstehen durch Mutation zwei
nebeneinanderliegende unterschiedliche Moll-Tonleitern.Die Tonleitern b-Mollis und h-Duralis.
Nachfolgend die beiden unterschiedlichen Moll-Tonleitern:
Die zwei Moll-Leitern resp. Tonarten in der Praxis:
"Der erdichte gesang ist / welcher mit erdichten odder fremdden stimmen gesungen wird. Das heissen aber fremdde stimmen odder syllaben / welche inn einem clave gesungen werden / darinne sie nicht sind / auch nicht in seiner octava / als wenn ich im E odder a/fa / und im G odder c/la singe ..."
Martin Agricola: "Musica Choralis Deudsch - Das fünfte Capitel. Von dem erdichten gesang."
In Anwesenheit des damaligen Ministerpräsidenten und späteren Staatspräsidenten der Türkei Herrn Süleyman Demirel, brachte 1976 H. M. Timpelan mit dem COLLEGIUM
MUSICUM BERLIN - Freie Universität / Technische Universität in Ankara Händels Oratorium "Jephta" zu Gehör.
Hierzu sei erwähnt, dass in einigen Dörfern im Tur Abdin im Südosten der Türkei aramäische Mädchen alljährlich zu Ostern einen Trauerritus im Gedenken an Jephtas einziger Tochter zelebrieren. Wie im Buch der Richter 11, 29-40, festgehalten ist, hatte Jephta sie aufgrund eines Gelübdes verbotenerweise dem Gott Israels geopfert.
Jener Brauch der aramäischen Mädchen, allljährlich Jephtas Tochter zu beklagen, steht in seltsamer Affinität zum Schußverses vom 11. Buch der Richter, denn der lautet: "Alljährlich gehen die Töchter Israels hin, die Tochter Jephtas, des Gileaditers, zu beklagen, vier Tage im Jahr.
Weiteres zu dieser Thematik vermittelt Lion Feuchtwanger in seinem letzten Roman "Jefta
und seine Tochter." https://en.wikipedia.org/wiki/Lion_Feuchtwanger
von Friedrich II. von Pr. 1747 für J. S. Bach
NB! Johann Joachim Quantz (1697-1773), Flötenlehrer von Friedrich II., erfand für die Querflöte eine Es-Klappe. Dadurch konnte der König den klanglichen Unterschied zwischen einem Dis und einem Es hörbar machen.
"Dass des [dis] und éb [es] zween unterschiedene Klänge ausmachen, solches findet sich auch bey den Violinen, wo des [dis] mit dem 4ten [3ten], und eb [es] mit dem kleinen [4ten] Finger gegriffen wird; desgleichen haben die Traversieren [Querflöten] hierzu zwo besondere Klappen" (G.Ph. Telemann: "Letzte Beschäftigung", Hamburg 1767).
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Die seltsame Chromatic im Thema Regium von Friedrich II.
Gottfried Freiher van Swieten im Gespräch mit Friedrich II. von Preußen:
"Er [der König] sprach mit mir auch über einen großen Orgelspieler namens [Wilhelm Friedemann] Bach [...]. Dieser Künstler besitzt ein außerordentliches Talent, eine tiefgreifende Kenntnis der Harmonie und eine Kraft in der Ausführung, wie ich sie nie gehört oder mir vorgestellt hatte, während die seinen Vater kannten, meinen, dass der sogar noch bedeutender sei. Der König teilt diese Meinung, und um es mir zu beweisen, sang er laut ein chromatisches Fugenthema, welches er jenem alten Bach gegeben hatte ..."
Zum Hexachordsystem gehörig:
in Händels Chaconne ex G und Bachs "Goldberg-Variationen"
Ein Krebscanon
Aleph
8 7 6 5 4 3 2 1
1 2 3 4 5 6 7 8
Alpha
In memoriam Marie Sallé (1707-1756)
Händels Prima Ballerina assoluta
Die 8 Fundalmentalnoten aus dem G la, re und Bachs Kunst der Fuge
W. A. Mozart (1756-1791)
Mozart 1782 an seine Schwester Anna Maria in Salzburg:
Allerliebste Schwester!
"Hier schicke ich Dir ein Präludio und eine dreistimmige Fuge. [...] Die Ursach, daß diese Fuge auf
die Welt gekommen, ist wirklich meine liebe Konstanze. Baron van Swieten, zu dem ich alle Sonntäge gehe, hat mir alle Werke des Händels und Sebastian Bach
(nachdem ich sie ihm durchgespielt) mit nach Hause gegeben. Als die Konstanze die Fugen hörte, ward sie ganz verliebt darein; sie will nichts als Fugen hören, besonders aber (in diesem Fach)
nichts als Händel und Bach. Weil sie mich nun öfter aus dem Kopf Fugen spielen gehört hat, so fragte sie mich, ob ich noch keine aufgeschrieben hätte, und als ich ihr nein sagte,
so zankte sie mich recht sehr, daß ich eben das Künstlichste und Schönste in der Musik nicht schreiben wollte, und gab mit Bitten nicht nach, bis ich ihr eine Fuge aufsetzte, und so ward
sie:
Constanze Mozart, geb.Weber (geb. 1762 in Zell im Wiesental (Schwarzwald), gest. 1842 in Salzburg). Cousine von Carl
Maria von Weber! Sie war, wie ihre ebenfalls in Zell im Wiesental geborenen drei Schwestern Josepha (~1758-1819 in Wien), Aloisia (~1759-1839 in
Salzburg), und Sophie (~1763-1846 in Salzburg), eine ausgebildete Sängerin. Sang bei der Uraufführung von Mozarts großer c-Moll Messe den Sopranpart.
Aloisia wiederum sang in Mozarts Don Giovanni die Donna Anna und
Josepha interpretierte bei der Uraufführung der Zauberflöte die Partie der Königin der Nacht!!!
Mozart: Adagio und Fuge für Streicher
c-Moll:
PS 1: Für seine kontrapunktischen Studien arrangierte Beethoven Händels Fuge der Ouverture zum Oratorium Salomon für Streichquartett. Händels Fugenthema umfasst ein Großes Hexachord:
Sinfonie Nr. 5 e-Moll
https://www.youtube.com/watch?v=DeMmauRMbts
Tschaikowsky, Sinfonie Nr. 5, 4. Satz. Münchner Philharmoniker, Dirigent Sergiu Celibidache
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Das Kleine Hexachord
Ein Canon perpetuum
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Jean-Jacques Rousseau und das Hexachordsystem
in "Emile oder Von der Erziehung"
(Nach der deutschen Ausgabe bei Artemis & Winkler, Seite 171-172)
"Um den Klängen mehr Nachdruck zu verleihen, artikuliert man sie, indem man sie ausspricht; daher kommt der Brauch [seit Guido von Arezzo], mit gewissen [sechs] Silben [Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La] zu solfeggieren. Um die Tonstufen zu unterscheiden, muss man diese Stufen und ihren verschiedenen Tonhöhen Namen geben; daher kommen die Benennungen der Intervalle und auch die Buchstaben des Alphabets, womit man die Tasten des Claviers [von Clavis = Schlüssel] und die Noten der Tonleiter bezeichnet. C und A bezeichnen bestimmte, unveränderliche Klänge, die stets mit denselben Tasten gespielt werden. [Die Silben] Ut und La sind etwas anderes.
Ut ist immer der Grundton eines Dur-Modus oder die Mediante [Terz minor] eines Moll-Modus. La ist stets der Grundton eines Moll- oder die sechste Note eines Dur-Modus. Die Buchstaben markieren also die unveränderlichen Bezeichnungen in unserem musikalischen System, und die [sechs] Silben [eines Hexachordes: Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La] markieren die homologen Positionen der ähnlichen Verhältnisse in verschiedenen Modi [Tonarten]. Die Buchstaben zeigen die Tasten des Claviers an und die Silben die Stufen der Tonleiter. Die französischen Musiker [nicht nur diese] haben diesen Unterschied [bis heute] auf seltsame Art verwirrt. Sie haben den Sinn der Silben mit dem Sinn der Buchstaben vermengt, und da sie unnützerweise die Zeichen der Tasten verdoppelt haben, so haben sie keine übriggelassen, um die Töne der Tonleiter auszudrücken, so dass für sie Ut [Do] und C stets dasselbe ist, was doch nicht zutrifft und auch nicht sein soll.
Denn wozu würde dann das C dienen? Diese Art zu solfeggieren ['Ut (Do)-Re-Mi-Fa-Sol-La-Si*-UT (Do)'] ist überaus schwer und hat doch nicht den geringsten Nutzen und vermittelt dem Geist keine klare Vorstellung, weil durch diese Methode die beiden Silben Ut [Do] und Mi beispielsweise gleichermaßen eine verminderte, kleine, große, oder übermäßige [minimum, minor, major, maximum**] Terz bedeuten könnte.
Durch was für eine seltsames Verhängnis ist doch das Land, wo man die schönsten Bücher über Musik schreibt, gerade dasjenige, wo man sie am schwersten lernt? Es ist nichts wunderlicher als das, was die Franzosen [Deutschen, Italiener, etc.] nach der Natur solmisieren nennen. Das heißt die Begriffe von der Sache trennen, um dafür fremde an die Stelle zu setzen, die nur Verwirrung stiften"
Im Hexachordsystem, von Rousseau hier für den Musikunterricht empfohlen, haben - wie bereits gesagt - die Noten einen relativen Wert. Mehrere Silben verbunden mit einer Buchstabennote bedeuten also Mutation. Dagegen das von Rousseau kritisierte verstümmelte System kennt keine Mutation mehr. Warum? Weil die Silben dort absoluten Notenbuchstabenwert haben.
*"Si ist die siebende Music=Sylbe, so [die] noch zu den 6 Guidonischen [Silben Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La] gekommen
[d.h. hinzu gefügt wurde], um Mutation in diesem zu vermeiden." (Johann G. Walther, Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732].
**Zur 4-fachen Unterteilung aller Klänge und Tonintervalle siehe G. Ph. Telemanns Neues musikalisches System, sowie Letzte Beschäfftigung | Georg Phillip Telemanns im 86sten Lebensjahre, bestehend | in einer musikalischen | Klang - und Intervallen-Tafel. Hamburg 1767.
Für Wolfgang Henrich - dem getreuen Wegbegleiter der TBH-Cooperation.
Freiburg i.Br. den 30.01.2011, von HMT
Drei Exempel zu Rousseau's Bemerkungen über das Hexachordsystem
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Jean-Philippe Rameau
"Ihr wart neugierig, den Namen des Mannes zu wissen, da habt ihr ihn. Es ist der Vetter ... des Mannes, der so viel unverständliche Visionen und apokalyptische Wahrheiten über die Theorie der Musik schrieb, wovon weder er noch sonst irgendein Mensch jemals etwas verstanden hat ..."
(Denis Diderot: "Rameaus Neffe". Deutsch: J.W. Goethe)
Rameaus "Funktionstheorie"
und das Hexachordsystem:
Das von Jean-Philippe Rameau (1726-1764) entwickelte funktionstheoretische Musiksystem, "Funktionstheorie" genannt, mit seinen Bezeichnungen und Hauptfunktionen wie "Tonika (tonique)", "Dominante (dominante)" und "Subdominante (sous-dominante)", wurde von ihm offensichtlich stillschweigend dem
H e x a c h o r d s y s t e m entnommen!
Und zwar:
1.) Seine "Tonika" aus dem Ut des Hexachordes naturalis bezw. -permanens.
2.) Seine "Dominante" aus dem UT des Hexachordes h-duralis.
3.) Seine "Subdominante" aus dem Ut des Hexachordes b-mollis.
Dabei ignorieren Rameau und die ihm nachfolgenden Musiktheoretiker (bis heute) den Unterschied zwischen einem Klang und einem Ton.
Denn eine einzelne Note, eigentlich ein Klang, gilt bei ihnen als "Ein Ton" und wird dementsprechend angewandt. Gilt doch die sogenannte "Tonika (tonique)" in der Funktionstheorie als "Grundton" (sic.) resp. "Ausgangston" einer "Tonart" (sic).
Das ist nicht richtig:
Weil ein Ton, wie bereits mehrfach betont, einem Sekundintervall entspricht und darüber hinaus zwei Grundakkorde enthält. Sowohl in Dur als auch in Moll.
Der Terminus TON resp. TONOS kommt aus dem Griechischen und bedeutet:
S P A N N U N G!
Weiterhin kennt Rameaus System keine Mutation mehr. Denn die Solmisationssilben haben bei ihm und den nachfolgenden
Musiktheoretikern absoluten Notenbuchstabenwert. (Siehe oben "Jean-Jacques Rousseau und das Hexachordsystem").
Auch deren musiktheoretischen Begriffe wie "Tonalität", "tonal" und "Atonalität", "atonal" beziehen sich lediglich auf eine einzelne Note. Die, wie gesagt, seit Alters her, keinen Ton sondern einen einzelnen Klang symbolisiert!
Über Telemanns vierfache Unterteilung eines Tons in minimum, minor, major und maximum, siehe Archiv 2 "Die musikalischen Intervalle". Archiv 2
Fortsetzung Archiv 5a