Archiv 7

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6 musikalische Zahlen, 37 Bienen und 20 Mitglieder

Illustrierte Bemerkungen

zu der von Lorenz Christoph Mizler 1738 in Leipzig gegründeten

Correspondierenden Societät der musicalischen Wissenschaften,

zu deren Mitgliedern auch Telemann (Nr.6), Händel (Nr.11) und Bach (Nr.14) zählten.

Die Medaille der Societät mit seinen 6 musikalischen Zahlen

und den 37 Bienen:

Lorenz Christoph Mizler
Vorderseite der Medaille. Identisch mit dem Societätssiegel

Copyright Landesmuseum Württemberg

https://www.landesmuseum-stuttgart.de/

Creative Commons Lizenz cc-by-sa  https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

"Auf der ersten Seite dieser Medaille ist ein Zirkel, der durch die drey Winkel eines gleichseitigen Dreyecks geht, und die Zahlen 1. 2. 3. 4. 5. 6. in sich hält, und worum [37] Bienen fliegen." (Lorenz Christoph Mizler)

NB! Die fliegende Gestalt auf der Madaille trägt auf dem Kopf ein Hexagramm.

6 musikalische Zahlen und die sechseckige Zellen einer Bienenwabe

 

Eine Bienenwabe ist ein Gebilde aus symmetrisch geformten

sechseckigen Zellen. 

 

    Die Regelmäßigkeit der sechseckigen Zellen innerhalb der Bienenwabe veranlasste den Mathematiker und Astronomen Johannes Kepler (1571-1630) zu der Annahme, dass Bienen einen mathematischen Verstand besäßen. Der französische Naturforscher René-Antoine Ferchault de Réaumur (1683–1757) empfahl, das Maß der Wabenzelle zur Grundlage eines einheitlichen Längenmaßes zu nehmen.

   Mehr zur Zahl 6 im Archiv 4: Das Hexachord- und das Tetrachordsystem bei Bach und Händel. Archiv 5

   PS: Händels zweites englisches Oratorium heißt Deborah. (Nach dem Buch der Richter 4). Der Name Deborah resp. Debora ist hebräisch und bedeutet Biene.

 

Accompagnato der Deborah aus Händels Oratorium:

                                                    By that adorable decree,
                                               That chaos cloth'd with symmetry

                                                

                                               Oh anbetungswürdige Fügung,

                                               die Chaos in Symmetrie gekleidet hat.

                                                    (Übersetzung von Wolfgang Henrich)

 

Die Zahl 37

 

Edmé-Gilles Guyot (1706–1786); Nouvelles récréations physiques et mathématiques. Deutsch: Augsburg 1772
Edmé-Gilles Guyot (1706–1786); Nouvelles récréations physiques et mathématiques. Deutsch: Augsburg 1772

Eine arithmetische Progession (Fortschreiten) ist eine regelmäßige mathematische Zahlenfolge mit der Eigenschaft, dass die Differenz  zweier benachbarter Folgenglieder konstant ist. https://de.wikipedia.org/wiki/Arithmetische_Folge

                               37 x   3     6     9    12   15  18   21   24   27                                      

                                      111 222 333 444 555 666 777 888 999 

Kleinste Quersumme:            3     6     9    |  3     6     9    |  3     6     9   |  

 

Ein Dreieck

Der griechische Großbuchstabe Delta, vierter Buchstabe des griechischen Alphabets mit dem antiken Zahlenwert 4, hat die Form eines Dreiecks. Übernommen vom kanaanitischen (phönizischen) Dalet, ebenfalls mit dem Zahlenwert 4.

 

Das Psalterium

(Cither | Harfe)

Martin Agricola: Musica Instrumentalis Deudsch, Wittemberg 1528
Martin Agricola: Musica Instrumentalis Deudsch, Wittemberg 1528

 

Trias harmonica | Der Dreiklang

Der Dreiklang und sein Spiegelbild

Der Dur-Dreiklang erscheint im Spiegelbild seitenverkehrt als Moll-Dreiklang

 

Mitglied Nr. 4

Christoph Gottfried Schröter (1699-1782), Komponist und Organist. Unten links im Bild, die Medaille resp. das Siegel der Societät.

 

6 musikalische Zahlen und 6 Naturklänge

Durch die Verknüpfung der Klänge 1 - 6 aus der Naturtonleiter entsteht ein

6stimmiger Grundakkord

Lorenz Mizler | Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften

 

6 musikalische Zahlen und das

Hexachord

Zum Hexachordsystem siehe Archiv 4:

 

6 musikalische Zahlen und 6 Töne

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"Sie [die Söhne Seths] erfanden die Sternkunde, und damit ihre Erfindungen nicht verloren gingen und vernichtet würden ehe sie zu allgemeiner Kenntnis gelangten ..., errichteten sie zwei Säulen, die eine aus Ziegeln, die andere aus Stein, und schrieben das von ihnen Erfundene auf beiden ein ... Die steinerne Säule steht übrigens noch heute in Syrien."

Flavius Josephus; Jüdische Altertümer. Deutsche Ausgabe 1987 by Fourier Wiesbaden.

___________

   "Jubal aber gedacht an die Propheccey die er vom ersten Vater Adam gehört hatte / das die Welt durch zweyererley plage oder gericht Gottes / nemlich / durchs feuer und wasser / solt untergehen und verderben / Derhalben auff das diese liebliche und von Gott verliehene kunst [die Musik] / so ganz und gar nicht umkeme noch ausgelöscht würde / schreib er sie inn zwo taffeln / eine was von ziegelstein / auff das sie feuershalben nicht verdürbe/ Die andere taffel / auff das ihr das wasser nicht schadet / ward sie von marmelstein [Marmor] gemacht / Und diese (wie etzliche schreiben) sol noch bey den völkern im Syrier land / vorhanden sein."

Martin Agicola; Musica Figuralis Deudsch , Wittenberg 1532

___________

   "Er [Abraham] unterrichtete sie [die Ägypter] in der Arithmetik und der Sternkunde, Wissenschaften, die vor seiner Ankunft [in Ägypten] ihnen völlig fremd waren; denn sie gelangten von den Chaldäern zu den Ägyptern und von da zu den Griechen."

Flavius Josephus; Jüdische Altertümer. Deutsche Ausgabe 1987 by Fourier Wiesbaden.

___________

 

Kleine Einmaleins Tabelle

Von Nikomachos von Gerasa (um 150 n. Chr.), Philosoph, Mathematiker und Musiktheoretiker:

Siehe dazu auch  Anicus M.S. Boethius: De institutione arithmetica:

Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften

Offensichtliche Vorlage für die Medaille resp. das Siegel der Mizlerschen Societät:

Lorenz Mizler | Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften.

   Obiges Dreieck mit den 6 Zahlzeichen aus De institutione arithmetica von Anicus M.S. Boethius, diente wohlmöglich mit als Vorlage  für die Medaille respektive das Siegel der Mizlerschen Correspondierenden Societät der musicalischen Wissenschaften.

Denn die 1738 von dem Arzt, Mathematiker und Musikwissenschaftler Lorenz Christoph Mizler gegründete Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften, der auch Telemann, Bach und Händel angehörten, präsentierte sich neben einer Medaille auch durch ein Siegel. Das Mizler wie folgt beschreibt:

   "Der Zirkel der durch die drey Winkel eines gleichseitigen Dreyecks gehet, und die musikalischen Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6 in sich hält, und um welchen [37] Bienen fliegen, ist das Siegel der Societät der musicalischen Wissenschaften, welches den Fleis der Societät, die Musik durch Mathematic* und Weltweisheit zu verbessern vorstellet."

* Mathematik: Griechisch μαθηματική τέχνη mathēmatikē téchnē**‚ mathematische Kunst, die Kunst des Lernens, zum Lernen gehörig. (Quelle: Wikipedia)

** Techne, altgr. τέχνη (téchne), ist ein altgriechischer Begriff, der in europäisch geprägter Philosophie bis heute für das Verständnis von Kunst, Wissenschaft und Technik bedeutend ist.

(Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Techne)

Augmentation und Diminution

Augmentation: Die Noten nach werden jeweils um ihren eigenen Wert vergrößert.

Diminution: Die Noten nach werden jeweils um die Hälfte ihres Wertes verkleinert.

Lorenz Mizler | Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften

Das Fortschreiten der Schwingungszahlen (Frequenzen / Hertz) bei den Oktavsprüngen innerhalb der Naturklangreihe

Die Schwingungszahlen der Oktavsprünge werden im Fortschreiten jeweils um ihren eigenen Wert vergrößert.

Lorenz Mizler | Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften

Auf nur 20 Mitglieder begrenzt

 

  Die Mitgliederzahl der Societät war von vornherein auf lediglich 20 begrenzt*.

 

Sicherlich kein Zufall; denn die Zahl 20 steht in dichter Beziehung zum Großen (einschließlich des Kleinen) Einmaleins mit seinen Faktoren bis 20:

 

hmt: Große (inkl. Kleine) Einmaleins Tabelle. Die 1er bis 20er Reihen sind mit blauer Farbe markiert und die diagonal verlaufenden Quadratzahlen mit gelber.
hmt: Große (inkl. Kleine) Einmaleins Tabelle. Die 1er bis 20er Reihen sind mit blauer Farbe markiert und die diagonal verlaufenden Quadratzahlen mit gelber.

* Zwanzigstes und damit letztes Mitglied sollte um 1756 Leopold Mozart (Vater von Wolfgang Amadeus) werden; doch die Societät löste sich um diese Zeit auf.

 

Einziges Ehrenmitglied

 

Einziges Ehrenmitglied der Mizlerschen Societät war der in London lebende Händel mit der Mitgliedsnummer 11. Eine Zahl, die in unmittelbarer Verbindung zur Zahl 20 steht. Denn im kanaanitischen (phönizischen), hebräischen sowie im antiken griechischen Alphabet hat jeder Buchstabe gleichzeitig einen Zahlenwert. So hat der 11. Buchstabe Kaph resp. Kappa den Zahlenwert 20.

Altgriechisches Zahlzeichen für 20:

Aus: Carl Faulmann, "Das Buch der Schrift", Wien 1880

22 kanaanitische (phönizische) Schriftzeichen

Kanaanitisch | Phönizisch
Quelle: Carl Faulmann, "Das Buch der Schrift", Wien 1880. Neuverlegt bei Franz Greno, Nördlingen 1985.

 

Auszug aus obigen kanaanitischen (phönitzischen) Schriftzeichen:

 

22 antike aramäische Schriftzeichen

Aramäische Kultur | Aramaic culture
Quelle: Carl Faulmann, "Das Buch der Schrift", Wien 1880. Neuverlegt bei Franz Greno, Nördlingen 1985. Hinweis 1986 von Urban Deutschmann (Profesor de mûsica de la DSM - Deutsche Schule Madrid).

Zwei Auszüge aus obigen aramäischen Schriftzeichen:

 

Aramäische Kultur | Aramaic culture

Das antike griechische Alphabet mit seinen 22 Schriftzeichen

Antike griechische Schriftzeichen

Aus I.J. Gelb; A Study of Writting. The Foundations of Grammatology. Chicago 1952

Triangulation

und die Form des antiken kanaanitischen, aramäischen und hebräischen Schriftzeichen für das Aleph!

 Sebastian Münster; Rudimenta mathematica, Basel 1551:

Sebastian Münster | Rudimenta mathematica

Bayerische Staatsbibliotek, Signatur: 2Phys.sp.6#Beibd.2   https://www.bsb-muenchen.de/

Sebastian Münster | Rudimenta mathematica

Albrecht Dürer; Underweysung der messung, mit dem zirckel und richtscheyt in Linien ebenen und gantzen corporen. (Nürnberg 1525):

Albrecht Dürer, Triangulation
The British Museum, Museum number 1895,0122.731

 

Obige Dreiecksformen sind identisch mit dem antiken kanaanitischen, aramäischen und hebräischen

Aleph:.

„Mein lateinischer Hüter, der brave Herr Calvör*, … zeigte mir auch die Verwandtschaft der Messkunst mit der Musik."

Telemann: Autobiographie, Hamburg 1740

   * Caspar Calvör (1650-1729), Lutherischer Theologe und Universalgelehrter.

22 Noten | 22 Claves (Schlüssel)

Bachs Rätselcanon, der Canon triplex à 6 Voc., den er auf dem Haußmann-Portrait dem Betrachter entgegenhält,  e n t s t e h t  aus 22 Noten. Als Bach 1747 in Mizlers Societät eintrat, reichte er satzungsgemäß dieses Portrait ein.

Bach, Canon triplex à 6 Voc.
Aus Mizlers "Musikalischer Bibliothek"

An dieser Stelle sei erinnert, dass das auf Guido von Arezzo zurückgehende Hexachordystem eine Dreieinheit aus 3 unterschiedlichen Hexachorden resp. Sechseinheiten bildet, die siebenmal ineinandergreifend eine Symbolkette aus 22 Klängen ergeben:

Lorenz Christoph Mizler | Correpondierende Societät der musicalischen Wissenschaften
Aus Mizlers "Musikalischer Bibliothek, Leipzig 1736-39, Band 1, Teil 3. ("Guidonis Aretini" = Guido von Arezzo).

Das hebräische Zahlenalphabet praktisch angewandt auf Masematte

Offensichtlich wurde im Münsterland (Westfalen) bis 1933 auch in bestimmten Kreisen, etwa unter Händlern, mit dem hebräischen Zahlenalphabet gerechnet. Davon zeugt ein überliefertes Merkgedicht auf Masematte*:

 

Olf, bes, kimmel, dollar, hei

Jut = zehn = hei x zwei

Nach hei, woff, sögen sowie schess

kommt nach Adam Riese "tess"

Die Zehn ist jut, die 20 kaff.

Von 11 - 19 sagst du brav:

"jut olf", "jut bes"

bis kaff auf dieser Zahlenleiter. [...]

 

Übersetzung von hmt:

Olf [Aleph = 1], bes [Bet = 2], kimmel [Gimmel = 3], dollar [Dalet = 4], hei [He = 5]

Jut [Jod] = zehn = hei x zwei.

Nach hei, woff [Waw = 6], sögen [Zain = 7] sowie schess [Chet = 8],

kommt nach Adam Riese "tess" [Tet = 9].

Die Zehn ist jut [Jod], die 20 kaff [Kaph, 11. Buchstabe].

Von 11 - 19 sagst du brav:

"jut olf" [Jod Aleph =  Zehn Eins = 11], "jut bes" [Jod Bet = Zehn Zwei = 12]

bis kaff [Kaph = 20; 11. Buchstabe mit dem Zahlenwert 20] auf dieser Zahlenleiter.

 

Das komplette Gedicht steht in: Es war einmal ein kurantes Anim - Textbuch Masematte,

Waxmann Verlag Münster/New York 1990, Seite 44, Hrsg. Klaus Siewert.

Masematte

*Masematte: Von jiddisch masso umatan = Handel, Handelsbetrieb und hebräisch massa umatan = Verhandlungen. https://de.wikipedia.org/wiki/Masematte

Nicht können oder wollen

Als Händel 1733 in Oxford sein Oratorium Athalia uraufführte, wollte ihm bei dieser Gelegenheit die dortige Universität die Ehrendoktorwürde verleihen. Doch Händel nahm diese Ehrung nicht an. Händels Annahmeverweigerung bereitete der deutschen Musikwelt offenbar Probleme; denn in vielen Druckschriften erscheint Händel als "Doktor Händel". Als nun der Poet, Musiker und Komponist Constantin Bellermann 1743 in seiner Abhandlung Programma in quo musarum England lobt, weil es Johann Christoph Pepusch und Händel die Ehrendoktorwürde verliehen habe, schaltet sich Mizler ein:

   "Was Herr Händel anlangt, so muß ich Herrn Bellermann widersprechen, weil ich es besser weiß. Es schreibt dieser vortreffliche Mann der Tonkunst, aus welchem man so wohl sechs Doctores der Musik machen könnte, in einem Briefe vom 25. May 1744 folgende Worte an mich: 'Ich habe das Doctorat wegen überhäufter Geschäfte nicht annehmen können oder wollen.' (Mizlers Bibliothek III, S. 568).

                                               "George Friedrich Händel /

                                                der freyen Künste ergebener."

(Händels Unterschrift unter dem Trauergedicht auf den Tod seines Vaters 1697)

https://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_freie_K%C3%BCnste

Ein Paket

   Mizler am 01.09.1747 an Societätsmitglied Nr. 9 Meinrad Spieß:

Auf meiner Rückreise über Leipzig habe Herrn Capellm. Bach gesprochen, welcher mir seine Berlinische Reise u. Geschicht von der Fuge, die er vor dem König gespielt, erzählt, welche nächstens in Kupfer gestochen werden, u. in dem Packet der Societät ein Exemplar zum Vorschein kommen. Ich habe den Anfang schon davon gesehen.

   Am 30. September 1747 erschien dann in Leipzig Bachs Musikalisches Opfer über Friedrichs II. Thema regium in einer Sammelmappe: Mit zwei Fugen (Ricercare), einer Triosonate und "verschiedenen Canonibus."

Satzungsgemäß  korrespondierten die Societätsmitglieder untereinander mit Hilfe von Paketen, die von den Mitgliedern im Umlaufverfahren versandt wurden. Somit könnte auch Händel in London das von Mizler angekündigte Paket mit Bachs Musikalischem Opfer erhalten haben!

20 Noten

Das 'Thema regium' für Bachs 'Musikalisches Opfer' von Friedrich II.

Musikalisches Opfer
Thema für das 6 stimmige Ricercar

Eine Fuge von Friedrich II.

Friedrich der II. von Preußen
Finale aus der Sonate c-Moll für Flauto traverso und Continuo von Friedrich II. von Preußen

Friedrichs II. Fugenthema geteilt und miteinander verflochten:

Friedich II. von Preußen

Bachs, Händels und Telemanns übereinstimmende Unterrichtsmethodik

   1742 übersetzt und veröffentlicht Mizler das 1725 auf Latein verfasste musiktheoretische Lehrwerk Gradus ad Parnassum von Johann Joseph Fux (1660 - 1741). In seinem Vorwort rät Mizler, "dass der, so ein Componist werden will, dieses Buch nicht eher aus der Hand lege, als bis alles nicht nur wohl begriffen, sondern auch nach allen Lectionen sich fleißig geübet."

 

Dieses m.E. wenig praxisorientierte Lehrwerk mit seinen uncantablen künstlichen Kontrapunktlektionen steht bis heute auf dem Lehrplan für den Unterricht im Kontrapunkt. Hinzu kommt, dass Fux in seinem Text permanent die mathematischen Termini "Proportion" und "Ration" verwechselt! Deshalb muß sich Mizler diesbezüglich im 3. Capitel "Von den Zahlen, ihren Proportionen und Unterschied" erstmals mit einer langen Fußnote korrigierend einschalten:

"Dieses ist die Erklärung der Ration, nicht der Proportion, und ist wohl zu merken, daß der Verfasser fast allezeit das Wort Proportion an statt des Worts Ration gebrauchet ..."

 

   J.S.Bachs Unterrichtsmethode war dagegen praxisorientiert! Darüber berichtet 1775 Bachs zweitältester Sohn Carl Philipp Emanuel an J.N. Forkel folgendes:

 

   "In der Composition ging er gleich an das Nützliche mit seinen Scholaren, mit [unter] Hinweglassung aller der trockenen Arten von Contrapuncten, wie sie in Fuxen [bei Fux] u. anderen stehen. Den Anfang mussten  seine Schüler mit der Erlernung des reinen 4 stimmigen Generalbasses machen. Hiernach ging er mit ihnen an die Choräle; setzte erstlich selbst den Baß dazu, u. den Alt u. den Tenor musten sie selbst erfinden. [...]"

   Die von Carl Philipp Emanuel beschriebene Unterrichtsmethodik seines Vaters ist identisch mit jener von Händel und Telemann.

  

   Telemann hat zu seinem "Fast allgemeinen Evangelisch-Musicalischen Liederbuch" von 1730 als Beilage einen Unterricht beigefügt. Darin schreibt er:

 

   "Diejenigen, so die Composition mit 4. Partien treiben, mögen Partituren aus diesen Liedern zusammen setzen, welches ich denen rathe, die sich des General = Basses befleissigen. Sie können also damit zu Werke gehen: Man ... schreibe zuerst den Discant, lasse hierauf zum Alte und Tenore in der Mitte zwo leere Linien, und dann werde der Baß eingetragen; hernach schreite man zum Alte und setze sich zur Regul: dass dieser dem Discante immer so nahe kommen müsse, als es möglich ist, auf welche Art sich auch der Tenor gegen den Alt verhält ... "     

 

Dazu ein Exempel aus Telemanns

"Fast allgemeines Evangelisch - Musikalisches Liederbuch":

 

Telemann: Fast allgeneines Evangelisch = Musicalisches Liederbuch
Die Mittelstimmen wurden von Timpelan nach der Vorgabe Telemanns hinzugefügt.
Die Mittelstimmen wurden von Timpelan nach der Vorgabe Telemanns hinzugefügt.

Weiterhin schreibt Telemann:

 

   "Ich habe, auf obige Art zu verfahren, eine Probe mit einem Knaben von 13. Jahren, der noch dazu wenig Music wusste, gemacht, und gefunden, dass dies ein naher Weg sey, zur vierstimmigen Composition zu gelangen, zweifle auch nicht, dass er eben so gut zum General = Basse führe. Bey dieser Gelegenheit wäre davon zu handeln, wie man einen aus der Fantasie niedergeschriebenen Baß beziefern, und auf 4. Partien einrichten solle; auch, wie in der freyeren Composition, die sich nicht ans Clavier bindet, mit den Mittel=Stimmen, welche alsdann weiter aus einander schreiten können, umzugehen sey;  allein ich würde hier zu weitläufig werden, und halte dafür, dass wenn man obiges recht inne hat, das andere von selbst, ohne große Schwierigkeit, erlanget werden möge."

 

* Zu diesem Liederbuch verknüpft Telemann seine nach besondern Modis verfassten 20 kleine Fugen! "Die", so Telemann, "Gelegenheit geben, in der Harmonie das Fremde und Seltsame anzubringen."

  

Hier nun ein Exempel von  "weiter auseinander" schreitenden Mittelstimmen:

Telemann: Fast allgemeines Evangelisch - Musicalisches Liederbuch
Mittelstimmen von hmt

"... ein naher Weg ... zum General = Basse":

Telemann: Fast allgemeines Evangelisch - Musicalisches Liederbuch
Generalbassaussetzung von hmt

   (Zu Händel und seiner mit jener von Bach und Telemann übereinstimmenden Unterrichts-methodik: siehe seine Aufzeichnungen zur Kompositionslehre | Composition lessons, HHA, Supplement Band I, Bärenreiter. Herausgeber: Alfred Mann.)

Zum Obigen Choral Ach Gott im Himmel, siehe auch im Archiv 1:

Bachs Scala der 3 major. Archiv 1

__________

Telemann:"Bey dieser Gelegenheit wäre [noch] davon zu handeln, wie man einen aus der Fantasie niedergeschriebenen Baß beziefern, und auf 4. Partien einrichten solle"

 

Dazu ein Exempel aus Händels Generalbasslehre:

 

Georg Friedrich Händel
Quelle: Autograph

Händels obige Generalbasslektion 4-stimmig ausgesetzt von hmt:

Georg Phillip Telemann

 

Vom eigentlich grundsätzlich 4 stimmigen Spielen- oder schriftlichem Aussetzen von Generalbass-Sextakkorden

 

Dazu schreibt Telemann in seinem Lieder-Buch:

 

  "Es ist in Ansehung der Sexten [Sextakkorden], wenn sie allein stehen, nicht zu vergessen, daß ich allemal besser thue, entweder dieselben, oder auch die Terzien, an Statt der Octaven, zu verdoppeln, weil dadurch die Harmonie mehr ausgefüllet wird; die Octaven aber dienen nur dazu, um entfernte Sprünge zu verhüten, durch den motum contrarium einige Annehmlichkeit anzubringen, oder, wie  an etlichen Orten bey diesen Liedern vorkömmt, um mit der rechten Hand 3 Stimmen gemächlich greifen zu können."

 

Hierzu zwei Exempel aus J.S. Bachs Generalbasslehre:

 

Telemann-Bach-Händel-Cooperation
Aus J.S. Bachs "Vorschriften und Grundsätze zum vierstimmigen Spielen des General-Bass oder Accompagnement". Generalbassausetzung von hmt. Nach Anweisung von J.S. Bach

 

Vom authentischen Ausführen der Secco-Rezitative

Dazu ein Exempel aus Telemanns "Singe=, Spiel= und Generalbaß=Übungen"

Nr. 39. 40.

"Toback"

Telemann: Singe-, Spiel- und Generalbass-Übungen

Telemann: "Vom Recitative:

   Wann ein dissonirender griff (a) (c) eintritt, so schlägt nur die rechte, nicht aber zugleich die linke hand an; löset aber solcher griff sich in consonanzien auf (b), so schlagen beyde hände an."

 

Hierzu zwei dementsprechende Exempel aus Bachs Matthäuspassion

 

Secco-Rezitative
Secco-Rezitative

Vom Ursprung des Generalsbasses

Die Naturklänge ("Obertöne") 1 - 9

 

"Von der Triade Harmonica"

 

  "Die Trias Harmonica hat eigentlich ihren usum in der Composition weil eben der General Bass ein Anfang ist zum componieren ja würcklich wegen zusammen Stimmung der Con und Dissonantien eine Composition extempore mag genennet werden welch derjenige macht so den General Bass schlägt ... Wann sich im übrigen ein Lehrbegieriger solchen wohl einbildet und ins Gedächtnis präget so darf er versichert seyn das er schon ein großes Theil der gantzen Kunst begriffen habe. Die Trias Harmonica aber ist eine zusammen verknüpfung  der Tertz und Quint  welche zu einer Fundament Note gesetzt werden welches durch alle Ton beydes in dur und moll kan geschehen."

(J.S. Bach: "Cap. 5." aus "Vorschriften und Grundsätze zum vierstimmigen spielen des General-Bass oder Accompagnement." Leipzig, 1738)

  

   Die Trias Harmonica Dur (Terz major ut-mi) entsteht in der musikalischen Natur. Und zwar durch den Zusammenklang resp. der Verknüpfung der Naturklänge ("Obertöne") 4-5-6.

   Die Trias Harmonie moll (Terz minor re-fa) hingegen entsteht durch die Verküpfung der Klänge 6-7-9. (hmt)

Generalbass

__________________________________________________________________________________________

 

Aus G.Fr. Händels Kompositionslehre

 

20 unbezifferte und bezifferte Generalbässe

Ein methodischer Lehrgang

(Quelle: Autograph)

 4stimmig ausgesetzt von H.M. Timpelan für Evelyn JL Puefken

  https://www.evelyn-jl-puefken.de/

 

evelyn jl puefken
Evelyn JL Puefken
Evelyn JL Puefken
Evelyn JL Puefken | Generalbass
Evelyn JL Puefken | Generalbass
Evelyn JL Puefken
Evelyn JL Puefken | Generalbass
Evelyn JL Puefken
Evelyn JL Puefken | Generalbass
Evelyn JL Puefken | Generalbass
Evelyn JL Puefken | Generalbass
Händel Generalbass
Evelyn JL Puefken | Generalbass
Evelyn Jl Puefken | Generalbass
Evelyn JL Puefken
Evelyn JL Puefken
Evelyn JL Puefken

 

Aus G.Fr. Händels Kompositionslehre

 

Zwei bezifferte Generalbass-Fugen aus der Fugenlehre

(Quelle: Autograph)

Georg Friedrich Händel

* * *

Georg Friedrich Händel
Siehe Händel: Anthem "As pants the hart", Ps. 42, Schlusschor.

 

Appendix:

Ein weiteres Dreieck

von William Hogarth

"The Analysis of Beauty"

William Hogarth
Pyramide

William Hogarth (1697-1764) war ein Freund Händels

https://de.wikipedia.org/wiki/William_Hogarth

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